Siegburger Michaelsberg umgestaltet:Der Berg ruft! Entdecken, erhalten, erneuern, erkunden und eröffnen
von Julia Schneider
Ursprünglich wurde auf der gesamten Südseite des Berges Weinbau betrieben, was sich heute mit elf wiederentdeckten und liebevoll neu angelegten Weinstöcken zeigt. „Wir haben die Weinstöcke als ein Zitat auf den früheren Weinbau hier am Berg erhalten.“, erzählt Landschaftsarchitekt Clemens Esser, der mit seiner Frau Anja das Konzept für die Neugestaltung des Michaelsbergs entwickelt hat.
Bei der Neuanlage des gesamten Areals vereinte das Ehepaar Esser vom gleichnamigen Atelier Esser aus Rheinbach ganz unterschiedliche Ziele: Denkmalpflege, Naturschutz, Erhalt und Wiederentdeckung historischer Nutzungen. Darüber hinaus spielt das Schaffen von Begegnungsorten, wo Alt und Jung zusammenkom-men können, eine entscheidende Rolle. „Von großer Bedeutung war dabei, die Bedürfnisse der Siegburger Bürgerinnen und Bürger in die Gestaltung mit einzubeziehen“, so Esser. Die mosaikartig gestaltete Anlage lässt immer neue Orte entdecken. Jeder Ort am Berg hat seinen eigenen Schwerpunkt, egal ob Sport und Gesundheit, wie zum Beispiel bei den Fitnessgeräten und der beleuchteten Rundlaufstrecke, oder Ästhetik, wie bei dem kunstvoll angelegten Rosengarten.
Auch Familien kommen auf dem neu gestalteten Spielplatz am Fuße des Michaelsberges auf ihre Kosten. An den Bänken außen herum können die Eltern ihre Kleinen beaufsichtigen und miteinander ins Gespräch kommen. Dort, wo sich der Spielplatz heute befindet, wurden bei Umbauarbeiten Schienen gefunden, über die man im Zweiten Weltkrieg in einen Schutzstollen gelangen konnte.
1825 bis 1878 befand sich auf dem Michaelsberg eine Nervenheilanstalt, die von Maximilian Jacobi geleitet wurde. Die Nervenheilanstalt Siegburg war die erste ihrer Art im Rheinland und insgesamt Vorreiter bei der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden. Jacobi war in seinem Menschenbild mit seinem therapeutischen Ansatz der damaligen Zeit voraus und galt als bestens vernetzt. Zum Kreis seiner Freunde zählten unter anderem Johann Wolfgang von Goethe und der Mediziner Christian Friedrich Nasse. Er arbeitete gemeinsam mit seinen Patienten, holte sie nach draußen und sperrte sie nicht, wie damals üblich, weg. Das Ergebnis war ein Terrassen- beziehungsweise Direktorengarten, den er gemeinsam mit den Patient/innen anlegte. Zeugen dieser Zeit sind die dicken, alten Bäume auf dem Berg. Auf den ebenen Plätzen gestaltete Jacobi Verweilplätze zum Sitzen.
Clemens Esser ging es bei der Neugestaltung auch darum, den Naturschutzgedanken nicht zu vernachlässigen. Dabei galt es, Naturschutz und Pflegeintensität miteinander in Einklang zu bringen. Sich nahezu monatlich verändernde Stauden, eine Kräuterwiese und eine Silbersommeretage sorgen dafür, dass es immer etwas Neues und Buntes zu sehen und entdecken gibt, was im Unterhalt und in der Pflege bewältigbar ist.
Die alten Kastanienbäume am Berg lassen noch den Verlauf des damaligen Pferdeaufritts zur Abtei erahnen. Die heutige geschlängelte Bergstraße wurde erst später, für die Versorgung der Mönche in der Abtei, angelegt. Auf dem Michaelsberg wurden zudem Mauerreste der ehemaligen Schwedenbastion aus dem Dreißigjäh-rigen Krieg gefunden. Der Verlauf dieser Bastion ist an den dunklen Steinen zu erkennen.
Herausfordernd bei der Wiederanlage waren die Bodenverhältnisse, da der Michaelsberg aus Tuffstein besteht und dieser sehr porös ist. Am Berg gab es Probleme mit umfallenden Bäumen, weil der Untergrund – vergleichbar mit einer Schotterhalde – jederzeit brechen kann. Selbst gesunde Bäume können bei einem leichten Windstoß umfallen. Um das zu umgehen, wurde oberhalb der Seufzerallee ein sogenannter „Niederwald“ angelegt. Dieser kann regelmäßig zurückgeschnitten werden, sodass er aus eigener Kraft wieder neu austreiben kann und nicht zu hoch wird. Positiv dabei ist, dass die Bäume ein geschlossenes Blätterdach entwickeln, was den Wuchs von wilden Brombeeren verhindert, die die Artenvielfalt gefährden.
Die Neukonzeption fand um die Jahre 2011 bis 2012 statt, als noch Benediktinermönche auf dem Michaelsberg lebten, aber bereits die Abgabe des Abteigebäudes an das Erzbistum Köln feststand. Clemens Esser entwickelte sein Konzept und stimmte sich im Verlauf seiner Planungen und Arbeiten mit der Stadt und den Sieg-burger Bürger/innen ab, die in Workshops ihre Vorschläge einbringen konnten. So wurde gemeinsam und demokratisch das Konzept weiter verfeinert.
Besonders an dem Projekt am Michaelsberg war für Esser bei der Konzeption, Verweise auf die Geschichte des Berges zu schaffen und alles ästhetisch ansprechend zu gestalten. Das Besondere des Ortes muss herausgestellt werden. Auf dem Berg gab es immer schon Kultur, aber ihre Spuren zu finden, zu gewichten und zu beurteilen, ist eine Herausforderung. Verfremdete Pflanzen sollen gefunden werden und eine natürliche, der jetzigen und zukünftigen Natur angemessene Bepflanzung soll geschaffen werden. So wurden auf dem Berg nur Bäume aus der Liste der Zukunftsbäume gepflanzt, die auch gestalterisch Sinn machen und Pflanzfehler vermeiden.
Ansätze und Ideen sind realisiert und umgesetzt. Es liegt jetzt aber an den Menschen, diese mit Leben zu füllen. Finanziert wurde die Umgestaltung zu einem großen Teil über das ISEK, das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept der Länder für die Kommunen.
So wie der Michaelsberg in seiner Konzeption angelegt ist, geht sein Ansatz Hand in Hand mit der Gestaltung des KSI auf dem Berg. Hier treffen Verweil- und Begegnungsorte auf Ästhetik, Denkmalschutz und Geschichtsbewusstsein. Beste Voraussetzungen für eine gemeinsame Zukunft!